„Legionário“
Nr. 803, 28. Dezember 1947
In
der Fortsetzung unserer Bemühungen die Verbreitung der Enzyklika „Mediator Dei“ von Papst Pius XII., beginnen wir heute mit
der Veröffentlichung von Kommentaren und Anmerkungen zum päpstlichen Text.
Neben
dem Bestreben, die Gedanken des Papstes in erhabener theologischer Sprache den
Lesern zugänglich zu machen, konzentrieren wir uns auf den Zusammenhang
zwischen den Enzykliken „Mediator Dei“
und „Mystici Corporis Christi“, die ein
einziges und wichtiges Lehrwerk bilden.
1. Text der Enzyklika:
Die Kirche führt also,
getreu dem von ihrem Stifter erhaltenen Auftrag, das Priesteramt Jesu Christi
vor allem durch die heilige Liturgie weiter.
Kommentar der
Redaktion:
Das Priestertum
Jesu Christi wird vor allem und also nicht nur
durch die Heilige Liturgie fortgeführt.
2. Text der Enzyklika:
In erster Linie tut sie dies
am Altare, wo das Kreuzesopfer ständig dargebracht und erneuert wird, wobei
einzig die Art der Darbietung verschieden ist; dann durch die Sakramente,
besondere Mittel, durch welche die Menschen des übernatürlichen Lebens
teilhaftig werden; endlich durch den Lobpreis, der täglich dem allgütigen und
allmächtigen Gott dargebracht wird.
Kommentar der
Redaktion:
In der Liturgie setzt
die Kirche das Priesteramt Jesu Christi nicht nur in der Messe fort, sondern
auch in den Sakramenten und im Stundengebet.
3. Text der Enzyklika:
Es ist Euch, ehrwürdige
Brüder, sicher bekannt, dass gegen Ende des letzten und zu Beginn des
gegenwärtigen Jahrhunderts ein außerordentlicher Wetteifer auf dem Gebiet der
liturgischen Studien entfaltet wurde, sowohl durch private Arbeit, wie
besonders durch die weit ausholende und emsige Tätigkeit einiger Klöster des
berühmten Benediktinerordens; so wuchs nicht nur in vielen europäischen
Nationen, sondern auch in den überseeischen Ländern diesbezüglich ein
lobenswertes und fruchtbringendes Bemühen. Die segensreichen Früchte dieses
eifrigen Bemühens konnte man auf dem Gebiet der theologischen Wissenschaften wahrnehmen,
wo die liturgischen Riten der abend- und morgenländischen Kirche erschöpfender
und tiefer durchforscht und erfasst wurden, wie auch im geistlichen und
privaten Leben vieler Christen.
Die hehren Zeremonien des
heiligen Opfers wurden bessererkannt, erfasst und geschätzt, die Sakramente
wurden allgemeiner und häufiger empfangen, die liturgischen Gebete inniger
verkostet und die Verehrung der heiligen Eucharistie - was auch fortdauern soll
- als Quelle und Mittelpunkt wahrer christlicher Frömmigkeit gewertet. Außerdem
wurde die Tatsache in helleres Licht gerückt, daß alle Gläubigen einen
einzigen, eng gefügten Leib bilden, dessen Haupt Christus ist, weshalb dem
christlichen Volke die Pflicht obliege, in gebührender Weise an den
liturgischen Handlungen teilzunehmen.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zeigt,
dass die Lehre vom Mystischen Leib, die in einem natürlichen Zusammenhang mit
der Heiligen Liturgie steht, von derselben Bewegung untersucht wurde, die auch
die Liturgische Bewegung förderte. Diese umfangreiche und reiche Sammlung von
Lehren, die auf diese Weise hervorgehoben wurde, war zunächst heilsam, wurde
aber später auf heterodoxer Art verarbeitet. Daher der Zusammenhang zwischen
den Enzykliken „Mistici Corporis Christi“
und „Mediator Dei“. Erstere zielte
darauf ab, Irrtümer über den Mystischen Leib, letztere Irrtümer in der Liturgie
zu bekämpfen. Beide Irrtümer verschmelzen somit zu einer gemeinsamen Wurzel der
Heterodoxie und bilden so ein homogenes heterodoxes System.
4. Text der Enzyklika:
Ihr wisst ohne Zweifel sehr
wohl, dass der Apostolische Stuhl jederzeit eifrig bestrebt war, das ihm
anvertraute Volk mit richtigem und lebendigem liturgischem Empfinden zu
erfüllen; und wie er mit nicht geringerem Eifer darauf geachtet hat, dass die
heiligen Handlungen auch nach außen durch angemessene Würde wirkten. Wir selbst
haben, als Wir dem Brauch gemäß im Jahre 1943 zu den Fastenpredigern der Ewigen
Stadt sprachen, sie mit Nachdruck ermahnt, ihre Zuhörer zu einer wachsenden
Teilnahme am eucharistischen Opfer anzuspornen; und erst neulich haben Wir in
der Absicht, das rechte Verständnis der liturgischen Gebete und die Erfassung
ihres kostbaren Wahrheitsgehaltes zu fördern, das Buch der Psalmen, das in der
katholischen Kirche einen großen Teil jener Gebete ausmacht, aus dem Urtext von
neuem ins Lateinische übertragen lassen.
Kommentar der
Redaktion:
Der Grund für die
Übersetzung ist laut Papst, dass die Psalmen besser verstanden und begriffen
werden können. Daraus folgt, dass der Hauptnutzen, den die Gläubigen aus dem
Offizium ziehen, nicht in nebulösen transpsychologischen, sondern vielmehr in
einem psychologischen Effekt besteht. Wahre liturgische Bildung liegt im
Verstehen und Auskosten der Bedeutung der Psalmen.
5. Text der Enzyklika:
Während also diese
Bestrebungen infolge ihrer heilsamen Wirkungen Uns nicht geringen Trost
bereiten, fordert doch auch das Gewissen, daß Wir jene Erneuerungsbestrebungen
im Auge behalten und sorgsam darauf achten, daß die Anregungen nicht ins
Maßlose oder Fehlerhafte ausarten.
Kommentar der
Redaktion
Dieser Abschnitt
macht deutlich, dass die Irrtümer nicht von einer anderen liturgischen Bewegung
ausgingen, sondern von denjenigen, die so glücklich in Europa unter der
Schirmherrschaft des Ordens des Heiligen Benedikt begann, die Meere überquerte
und sich in der gesamten westlichen Kirche ausbreitete. Es zeigt auch, dass der
Papst es für notwendig hält, diese Bewegung überall zu überwachen, um die
schwerwiegenden Irrtümer, die in ihr entstanden sind, zu verhindern oder zu vermeiden.
6. Text der Enzyklika:
Wenn Wir nämlich einerseits
mit großem Bedauern feststellen, daß in verschiedenen Ländern der Sinn für die
heilige Liturgie, ihre Kenntnis und ihr Studium gelegentlich ungenügend sind
oder fast ganz fehlen, so müssen Wir anderseits mit Besorgnis, ja mit Furcht
wahrnehmen, wie einige allzu neuerungssüchtige Leute vom Weg der gesunden Lehre
und der Klugheit abweichen.
Kommentar
der Redaktion:
Entgegen
einem sich heimtückisch verbreitenden Gerücht tadelt der Papst nicht diejenigen,
die vor der Enzyklika die Irrtümer der Liturgischen Bewegung angegriffen haben.
Er tadelt lediglich die Vernachlässigung der Heiligen Liturgie durch einige
Menschen („in bestimmten Regionen“). Der Papst weist auf die psychologischen
Gründe für diese Irrtümer hin: die Gier nach Neuerungen und ihre beiden Folgen:
Bruch mit der gesunden Lehre und Unklugheit im Verhalten.
7. Text der Enzyklika:
Der Grund dafür liegt darin,
dass sie in der Absicht und dem Wunsch, die liturgische Erneuerung zu fördern,
oft Prinzipien außer Kraft setzen, die diese ,0heiligste Sache theoretisch oder
praktisch gefährden und sie oft auch mit Irrtümern über den katholischen
Glauben und die asketische Lehre verunreinigen.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst prangert
die Existenz eines Systems („Prinzipien“) an, mit dem die Irrtümer der
liturgischen Bewegung verbunden sind. Es ist Aufgabe der Gelehrten, Mystici Corporis Christi und Mediator Dei sorgfältig zu analysieren,
um diese Prinzipien anhand der darin enthaltenen Elemente zu definieren.
Der Papst betont
die Schwere dieser Haltungen, die „oft den katholischen Glauben und die
asketische Lehre beeinträchtigen“. – Die schlimmsten Feinde der liturgischen
Bewegung sind diejenigen, die sie mit diesen Irrtümern gegen Glauben und Moral
verunreinigen. Ihre besten Freunde hingegen sind diejenigen, die diese Irrtümer
energisch bekämpfen, um eine gute liturgische Bewegung zu verbreiten.
8. Text der Enzyklika:
Reinheit des Glaubens und
der Sitte muss aber die hauptsächlichste Richtlinie dieser heiligen
Wissenschaft sein, die mit der weisen Lehre der Kirche in allem übereinstimmen
soll. Es ist demnach Unsere Pflicht, was gut ist, zu loben und zu empfehlen,
was aber vom rechten Weg abweicht, in Schranken zu halten oder zu verwerfen.
Kommentar der Redaktion:
Es gab unter uns
einige, die glaubten, dass ein Angriff auf die Irrtümer der liturgischen
Bewegung diese selbst in ihrer ganzen Integrität gefährden würde. Menschliche
und fleischliche Klugheit ließ sie es vorziehen, dass sich die liturgische Bewegung
durch Irrtümer verunreinigt ausbreitet, anstatt sie umsichtig zu unterbinden.
Der Papst konnte nicht umhin zu erkennen, dass er mit der Veröffentlichung
dieser Enzyklika die Existenz sehr schwerwiegender Irrtümer unter den
Katholiken selbst öffentlich machen würde. Er urteilte, dass diese Gefahr
geringer sei, als die liturgische Bewegung in ihren Irrtümern zu belassen.
Unter uns gab es solche, die es als entweihend empfanden, die Irrtümer der
Liturgie anzugreifen, die die Existenz einer Spaltung unter den Katholiken
offenbarten. Eine verdächtige und seltsame Therapie, die darin bestand, dem
Irrtum freien Lauf zu lassen, damit seine Existenz nicht wahrgenommen wurde.
Nach Mediator Dei ist es nicht länger zulässig, diese Praxis zu befürworten.
9. Text der Enzyklika:
Es sollen jedoch die
Säumigen und Lässigen nur nicht meinen, Wir wären mit ihnen zufrieden, weil Wir
die Irrenden tadeln und die Allzukühnen zügeln; noch sollen die Unklugen es als
Lob für sich deuten, wenn Wir die Nachlässigen und Zauderer zurechtweisen.
Kommentar der
Redaktion:
Wie in Thema Nr. 6
spricht der Papst von zwei irrigen Positionen: der der Trägen und Lauen, die an
der Sache desinteressiert sind, und der der Rücksichtslosen und Innovativen. Es
gibt nicht den geringsten Hinweis auf diejenigen, die, obwohl sie an der Sache
interessiert waren, die Irrtümer der Liturgie angriffen. Dies ist wichtig zu
beachten, um heimtückische Gerüchte zu zerstören.
10. Text der Enzyklika:
Wenn Wir in Unserem
Rundschreiben hauptsächlich von der lateinischen Liturgie sprechen, so
geschieht das nicht, weil Wir die ehrwürdigen Liturgien der Ostkirche weniger
schätzten; ihre Riten, durch alte und kostbare Urkunden überliefert, sind Uns
ebenso teuer; das geschieht vielmehr wegen der besonderen Verhältnisse der
abendländischen Kirche, die so geartet sind, daß sie das Eingreifen Unserer
Autorität notwendig zu machen scheinen.
Kommentar der
Redaktion:
Diese Worte des
Papstes verdeutlichen die extreme Dringlichkeit der Situation, in der wir uns
befinden: Die besonderen Bedingungen der westlichen Kirche ERFORDERN DAS
EINGREIFEN UNSERER AUTORITÄT. Ein eindringlicher Aufruf an alle eifrigen
Gläubigen, für eine gesunde liturgische Bewegung zu kämpfen, indem sie die
Irrtümer, die sie plagen, radikal und unverzüglich beseitigen.
11. Text der Enzyklika:
Alle Christen sollen daher
willig auf die Stimme ihres gemeinsamen Vaters hören, der sich sehnlichst
wünscht, dass alle, die ihm innig verbunden sind, sich dem Altar Gottes nähern,
denselben Glauben bekennen, dieselben Gesetze befolgen und mit einmütiger
Absicht und einmütigem Willen am selben Opfer teilnehmen.
Kommentar der
Redaktion:
Die obige
Anmerkung wird bestätigt. Das Wort des Papstes zu hören, verpflichtet alle,
auch die Laien, insbesondere im Jahrhundert der Katholischen Aktion, dazu, es
zu verbreiten. Lasst uns energisch gegen das kämpfen, was der Papst verabscheut
und verurteilt.
12. Text der Enzyklika:
Das verlangt schon die Ehre
Gottes; das fordern auch die Bedürfnisse der Gegenwart. Nachdem ein langer
und grauenvoller Krieg die Völker durch Feindschaft und blutigen Tod sich
gegenseitig entfremdet hat, mühen sich jetzt Menschen guten Willens, alle nach
besten Kräften zur Eintracht zurückzuführen.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zeigt,
wie dringend nötig die Einheit der Gläubigen ist. Dies ist jedoch nur durch die
Einheit im Glauben möglich, wie der Papst sagt. Um diese Einheit zu erreichen,
hat der Papst, anstatt zum liturgischen Problem zu schweigen, im Gegenteil den
Finger auf die Wunde gelegt. Den Finger eines Vaters und Arztes, der weiß, dass
Ausbrüche nicht dadurch bekämpft werden, dass man sie ignoriert, sondern indem
man sie behandelt. Dies ist ein unschätzbarer Trost für diejenigen von uns, die
den Liturgizismus immer bekämpft haben und die mit dieser Haltung keine
Zwietracht gestiftet, sondern die Einheit gefördert haben.
13. Text der Enzyklika:
Kaum nämlich ist das Wort
Fleisch geworden[13], als es
auch schon mit dem Priesteramt bekleidet sich der Welt offenbart, indem es sich
dem Ewigen Vater unterwirft und diese Unterwerfung sein ganzes Leben hindurch
ununterbrochen fortsetzt Beim Eintritt in die Welt spricht Christus: ...
Siehe ich komme . . . Deinen Willen, O Gott, zu erfüllen . . .[14], und im
blutigen Kreuzesopfer hat er dies wunderbar erfüllt : Kraft dieses Willens sind
wir ein für allemal geheiligt durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi[15].
Kommentar der
Redaktion:
Das priesterliche
Amt Jesu Christi bestand nicht allein im Abendmahl und auf dem Kalvarienberg,
sondern in der Unterwerfung, mit der er sich in jeder seiner Lebenshandlungen
dem Vater gegenüber verhielt. Wie wir sehen werden, dient diese Beobachtung dem
Papst als Grundlage, um die Art des von den Gläubigen dargebrachten Opfers, die
Eigenschaften, die dieses Opfer haben muss, und damit die Art und Weise der
Teilnahme der Gläubigen an der Heiligen Messe zu bestimmen. Man beachte die
Beziehung zwischen den Opfern des christlichen Lebens und dem Opfer, einem Akt
des öffentlichen Kultes.
14. Text der Enzyklika:
Sein tatenreiches
Menschendasein strebt diesem einen Ziele zu. Als kleines Kind wird er im Tempel
zu Jerusalem dem Herrn dargestellt; als Knabe begibt er sich wieder dorthin;
später betritt er den Tempel immer und immer wieder, um das Volk zu lehren und
dort zu beten. Bevor er seine öffentliche Tätigkeit beginnt, beobachtet er ein
vierzigtägiges Fasten; durch seinen Rat und sein Beispiel mahnt er alle, ihre
Bitten bei Tag und bei Nacht an Gott zu richten. Er, der Lehrer der Wahrheit,
erleuchtet jeden Menschen[16]damit die
Sterblichen den unsichtbaren Gott gebührend anerkennen und nicht Söhne feigen
Versagens seien zu ihrem Verderben, sondern Kinder des Glaubens, durch den das
Leben gewonnen wird[17]. Als Hirt
leitet er seine Herde, führt sie auf die Weide des Lebens und erläßt sein
Gesetz so, daß niemand von ihm und dem rechten Wege, den er weist, sich
abbringen lasse, sondern alle unter dem Hauch seines Geistes und in seiner
Kraft heilig leben. Beim letzten Abendmahle begeht er in feierlicher Form das
neue Pascha, dessen Fortbestand er durch die Einsetzung der heiligen
Eucharistie sichert;
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst
unterscheidet in Jesus Christus zwischen individuellen und eigentlich
priesterlichen Handlungen. Diese Unterscheidung bedeutet keine Trennung; im
Gegenteil, es besteht eine enge Verbindung zwischen beiden. In der Frömmigkeit
des Hohepriesters als Ganzes und auch in der Frömmigkeit der Kirche können wir
zwei Elemente unterscheiden: Das eine besteht aus den eigentlich priesterlichen
Handlungen, die das Handeln Christi als Meister, Hirte und Opferer fortsetzen;
das andere besteht aus der Frömmigkeit des Einzelnen, einer Frömmigkeit, die
streng privat und individuell ist. Der Papst wird dieses Konzept weiter
ausführen, um zwischen dem eigentlich aktiven Priestertum der Hierarchie und
dem analogen und passiven Priestertum der Laien zu unterscheiden, zwischen der
eigentlich liturgischen Frömmigkeit der ersteren und der Frömmigkeit der
Gläubigen, die auch bei der Ausübung liturgischer Handlungen privat ist.
15. Text der Enzyklika:
am folgenden Tag bringt er,
zwischen Himmel und Erde schwebend, das heilbringende Opfer seines Lebens dar
und läßt seiner durchbohrten Brust gleichsam die Sakramente entströmen, die den
Menschen die Schätze der Erlösung zuführen sollen. Bei alledem schaut er einzig
auf die Ehre seines himmlischen Vaters und darauf, die Menschen mit immer
größerer Heiligkeit zu erfüllen.
Kommentar der
Redaktion:
Die Heiligung der
Menschheit wird durch die Vereinigung aller Kräfte ihrer Seele mit Gott
erlangt. Es ist eine Vereinigung der Intelligenz, des Willens, der sich fest
nach Gott sehnt, und der Sensibilität. Diese Vereinigung kann innerhalb der
rein natürlichen Ordnung erreicht werden. So sind die Seelen derer, die sich in
der Vorhölle (im Limbus) befinden, vollständig mit Gott vereint, obwohl sie
kein übernatürliches Leben besitzen. Um diese moralische Vereinigung leichter
und inniger zu fördern, schenkte unser Herr der Menschheit mit der Erlösung
übernatürliches Leben. Doch, so der Papst, die Verleihung dieses herrlichen
Geschenks ist kein Selbstzweck. Das letzte Ziel, zu dem die Verleihung des
übernatürlichen Lebens ein Mittel ist, ist die moralische Vereinigung mit Gott:
dass der Mensch Gott von ganzem Herzen und vor allem seine eigene Ehre lieben
kann.
16. Text der Enzyklika:
Deshalb zielt die vom
göttlichen Erlöser gestiftete Gesellschaft mit ihrer Lehre und Leitung, dem von
ihm eingesetzten Opfer und den von ihm gestifteten Sakramenten, mit der von ihm
überkommenen Verwaltung und dem von ihr verströmten Gebet und Blut nur auf das
eine hin, daß sie täglich sich weite nach außen und innerlich zusammenwachse;
das wird auch erreicht, wenn Christus in den Menschenseelen Leben gewinnt und
sich entfaltet, und umgekehrt die Menschenseelen durch Christus gleichsam
erbaut werden und wachsen;
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst
bestätigt die obige These. Es ist so wahr, dass die Ehre Gottes und die
moralische Vereinigung des Menschen mit Gott das Ziel aller Taten Jesu Christi
und der Erlösung selbst sind, dass die Kirche, die Fortsetzung Christi, kein
anderes Ziel hat als dieses. Man beachte, dass für den Papst die klassische
Formel, Christus im Gläubigen oder den Gläubigen in Christus aufzubauen, im
Wesentlichen die Idee zum Ausdruck bringt, die festeste und tiefste moralische
Verbindung zwischen dem Gläubigen und Christus herzustellen. Hier liegt nichts
Transpsychologisches vor, wie man in der verdächtigen oder fehlerhaften
Terminologie gewisser moderner Philosophien sagen könnte.
17. Text der Enzyklika:
Deshalb ist in jeder liturgischen
Handlung zugleich mit der Kirche ihr göttlicher Stifter zugegen. Zugegen ist
Christus im hochheiligen Opfer des Altares, in der Person des seine Stelle
vertretenden Priesters und vor allem unter den eucharistischen Gestalten.
Zugegen ist er in den Sakramenten durch die Kraft, die er ihnen zuströmen läßt
als den Werkzeugen der Heiligung. Zugegen ist er endlich im Lob Gottes und im
Bittgebet, gemäß dem Worte: Wo nämlich zwei oder drei in meinem Namen vereint
sind, bin ich mitten unter ihnen[22].
Kommentar der
Redaktion:
Man beachte, dass
Christi Gegenwart in der liturgischen Handlung „gemeinsam“ mit der Kirche
erfolgt. Dieser Ausdruck findet seinen Kommentar in Mystici Corporis Christi, wo der Heilige Vater die Unmöglichkeit
betont, einer vermeintlich unsichtbaren Kirche Christi anzugehören, und
bekräftigt, dass es unmöglich ist, mit Christus vereint zu sein, ohne mit der
sichtbaren Kirche verbunden zu sein, deren oberstes Oberhaupt der Heilige
Vater, der Papst, ist.
18. Text der Enzyklika:
Die heilige Liturgie bildet
folglich den öffentlichen Kult, den unser Erlöser, das Haupt der Kirche, dem
himmlischen Vater erweist und den die Gemeinschaft der Christgläubigen ihrem
Gründer und durch ihn dem Ewigen Vater darbringt; um es zusammenfassend kurz
auszudrücken: sie stellt den gesamten öffentlichen Gottesdienst des mystischen
Leibes Jesu Christi dar, seines Hauptes nämlich und seiner Glieder.
Kommentar der
Redaktion:
Hier finden wir
eine offizielle Definition der Liturgie, die von nun an als Grundlage für alles
zu diesem Thema dienen wird. Diese Definition bestätigt die traditionelle
Lehre, dass nur Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die speziell zu
diesem Zweck ernannt wurden, liturgische Funktionen ausüben dürfen. Die
einfachen Gläubigen sind daher von allen offiziellen oder formal liturgischen
Handlungen ausgeschlossen. Diese Lehre wird später noch eindringlich und
entschieden bekräftigt.
19. Text der Enzyklika
Je nach den Umständen und
den Bedürfnissen der Christen wird der Gottesdienst veranstaltet, ausgebaut und
mit neuen Riten, Zeremonien und Gebetsformen bereichert, immer zu dem Zwecke,
„daß wir durch jene Sinnbilder uns selbst anspornen und innewerden, wieviel
Fortschritt wir gemacht haben, und zu dessen Förderung uns entschieden aneifern
denn die Wirkung wird um so wertvoller sein, je stärker der Eifer ist, der ihr
vorausgeht“[25]
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zeigt einmal
mehr, dass die moralische Vereinigung der Gläubigen (und nicht die
transpsychologische oder ontologische, wie manche behaupten) mit Gott, zusammen
mit der Verherrlichung Gottes selbst, der wesentliche Zweck der Liturgie ist.
Der Papst
verurteilt umgehend den liturgischen Archaismus und erklärt, dass die neuen
Riten kein Abschaum oder Unreinheiten einer dekadenten Kirche seien, sondern
wahre Reichtümer, die das spirituelle Erbe der Kirche intensivieren.
20. Text der Enzyklika:
So erhebt sich das Gemüt
beschwingter und leichter zu Gott, und das Priestertum Jesu Christi lebt und
wirkt jederzeit durch alle Jahrhunderte hindurch, da die heilige Liturgie
nichts anderes ist als die Ausübung dieses Priesteramtes.
Kommentar der
Redaktion:
Dieses gesamte
Thema zeigt, dass das von der Kirche ausgeübte Priestertum Jesu Christi ein
hierarchisches Priestertum ist, das nur von geistlichen Amtsträgern und nicht
von einfachen Gläubigen ausgeübt werden kann.
21. Text der Enzyklika:
Die zum irdischen Leben
Gebotenen bereichert sie in einer Art von Wiedergeburt mit dem übernatürlichen
Leben; für den Kampf gegen den unversöhnlichen Feind stärkt sie dieselben mit
der Kraft des Heiligen Geistes; sie ruft die Christen zu den Altären, eifert
sie durch wiederholte Einladung an zur andächtigen Feier des eucharistischen
Opfers und nährt sie mit der Engelspeise, damit sie immer mehr erstarken; die
durch die Sünde Verwundeten und Befleckten.
Kommentar der
Redaktion:
Der Ausdruck
„feiern“ ist von den Gläubigen im Sinne von Gedenken zu verstehen, denn der
Papst …(Druckfehler im Original)… er verwendet den verwerflichen und oft
verwendeten Ausdruck „konzelebrieren“ gerade deshalb, weil die Gläubigen vom
wesentlichen Akt des Heiligen Messopfers, der Wandlung, ausgeschlossen sind.
22. Text der Enzyklika:
Jedoch ist das Hauptgewicht
bei der Gottesverehrung auf das Innere zu verlegen. Wir müssen immer in
Christus leben und uns ihm ganz hingeben, damit in ihm, mit ihm und durch ihn
dem himmlischen Vater die gebührende Ehre erwiesen werde. Die heilige Liturgie
verlangt aber, daß die beiden Elemente aufs engste miteinander verknüpft seien;
sie selbst wird nicht müde, das immer und immer wieder zu empfehlen, sooft sie
nämlich einen äußeren Akt religiösen Kultes vorschreibt. So mahnt sie uns z. B.
beim Fasten, „unser sittliches Verhalten möge das, wovon es nach außen Zeugnis
gibt, in unserem Innern verwirklichen“[28]. Sonst
wird die Religion zweifelsohne zum leeren Ritus und reinen Formalismus. Wie
euch, ehrwürdige Brüder, bekannt ist, hält der göttliche Meister jene des
Gotteshauses für unwürdig und möchte sie aus ihm entfernt wissen, die
vermeinen, sie könnten allein schon mit klangvollen schönen Stimmen nach Art
der Schauspieler Gott verehren, und die sich einbilden, für ihr ewiges Heil
ordentlich Sorge zu tragen, auch wenn sie ihre tief eingewurzelten Fehler nicht
mit der Wurzel ausrotten[29].
Kommentar der
Redaktion:
Wenn die heilige
Liturgie und das christliche Leben im Allgemeinen, wie manche behaupten, eine
transpsychologische und ontologische Vereinigung mit Gott bewirken würden,
wären die inneren Gefühle der Seele, gerade weil sie im psychologischen Bereich
stattfinden, mit Sicherheit zweitrangig. Durch die korrekte Durchführung des
Ritus und damit das Erreichen seiner ontologischen oder transpsychologischen
Wirkung wäre der Zweck der Liturgie erreicht, selbst wenn die moralische und
psychologische Vereinigung nicht erreicht würde.
Der Papst geht vom
entgegengesetzten Prinzip aus und misst daher nicht der Durchführung des Ritus,
sondern der inneren Verfassung höchste Bedeutung bei. Der Papst ist zutiefst
empört über den rein mechanischen Formalismus der Liturgie, über die Vorstellung,
sie handle ausschließlich „ex opere
operatur“ und nicht „ex opere
operantis“. Die Enzyklika „Mediator
Dei“ ist die Peitsche, die diese neue Form von Hausierern und Pharisäern
aus der Kirche vertreiben soll.
23. Text der Enzyklika:
Die Kirche wünscht also, daß
alle Christgläubigen sich zu den Füßen des Erlösers niederwerfen, um ihm ihre
Verehrung und Liebe zu erzeigen; sie wünscht, daß die Scharen nach dem Beispiel
der Jugend, die Christus bei seinem Einzug in Jerusalem mit Freudengesang entgegenzog,
lobsingen und dem König der Könige, dem höchsten Geber aller Güter Jubellieder
ertönen lassen und Danksagung darbringen; daß ihren Lippen Gebete entströmen,
Bittgebete und froher Lobpreis, durch die sie wie die Apostel am See Genesareth
seine barmherzige und allmächtige Hilfe anrufen; oder daß sie, wie Petrus auf
dem Berge Tabor vom Lichtglanz und der Wonne seliger Beschauung hingerissen,
sich und das Ihrige dem Ewigen Gott anheimstellen.
Kommentar der
Redaktion:
Die innere Haltung
der Gläubigen ist für ein gesundes und orthodoxes liturgisches Leben so
grundlegend, dass der Papst in diesem Thema, in dem er eindeutig von
liturgischer Frömmigkeit spricht, Worte und Begriffe verwendet, die durchaus
für eine rein private Frömmigkeit geeignet sind.
24. Text der Enzyklika:
Daher haben jene vom wahren
Begriff und Sinn der heiligen Liturgie entschieden eine falsche Vorstellung,
die unter ihr nur den äußeren und sinnfälligen Teil des Gottesdienstes oder
etwa eine würdige Aufmachung von Zeremonien verstehen. Und ebenso gehen jene
fehl, die sie nur für eine Sammlung von Gesetzen und Vorschriften halten,
wonach die kirchliche Hierarchie die heiligen Riten regelt.
Es muß allen eine
Selbstverständlichkeit sein, daß Gott nicht würdig verehrt werden kann, wenn
nicht Geist und Herz zur Vollkommenheit angeeifert werden, und daß der Kult,
den die Kirche in Einheit mit ihrem göttlichen Haupt Gott darbringt, die
höchste Wirkkraft zur Weckung wahrer Heiligkeit in sich birgt.
Kommentar der
Redaktion:
Die Sprache des
Papstes zeigt, dass diese Irrtümer nicht bloß hypothetisch und möglich sind,
sondern dass sie konkret aus der ansonsten providentiellen liturgischen
Bewegung entstanden sind.
In diesem
Abschnitt formuliert der Papst den in den vorherigen Erwägungen widerlegten
Irrtum und verurteilt ihn. Der Irrtum ist zweifacher Natur: 1) dass die
Liturgie Gott allein deshalb würdig verherrlichen kann, weil ihr Ritus in
hervorragender Weise vollzogen wird, obwohl keine Anstrengungen zur Heiligung
der Amtsträger und der Gläubigen unternommen werden; 2) dass die Heiligung
nicht eine höchste Wirkung der Liturgie ist.
25. Text der Enzyklika:
Diese Wirkkraft kommt, wo es
sich um das eucharistische Opfer und die Sakramente handelt, vor allem und an
erster Stelle ex opere operato (aus
der heiligen Handlung selbst). Wenn wir hingegen die Funktionen der
unversehrten Braut Jesu Christi ins Auge fassen, wodurch sie mit Gebeten und
heiligen Zeremonien das eucharistische Opfer und die Sakramente umrankt, oder
wenn die Rede ist von den Sakramentalien und den übrigen Riten, die von der
kirchlichen Hierarchie angeordnet sind, so kommt die Wirkkraft vor allem ex opere operantis Ecclesiae (aus der
Handlung als einer Handlung der Kirche), insofern sie heilig ist und in engster
Verbindung mit ihrem Haupte wirkt.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst
bestätigt hier die traditionelle Lehre der katholischen Theologie, wonach er
bei jeder heiligenden Handlung mehrere Arten der Wirksamkeit unterscheidet. 1)
die intrinsische Wirksamkeit (ex opere
operato), d. h. die Wirksamkeit der Sakramente und des Messopfers,
unabhängig von der Heiligkeit desjenigen, der sie spendet. 2) die Wirksamkeit,
die außerhalb des Werkes selbst liegt, aber auch unabhängig von der Heiligkeit
des Spenders ist. Dies ist das „opus
operantis Ecclesiae“, dessen heiligende Wirksamkeit von der Heiligkeit der
Kirche abhängt, in deren Namen der heilige Ritus von ihrem Spender vollzogen
wird. 3) die Wirksamkeit, die sich aus dem Verdienst der Person ergibt, die die
heiligende Handlung vollzieht, und von der Heiligkeit desjenigen abhängt, der
die Handlung vollzieht.
Man sollte nicht
meinen, dass die Wirksamkeit „ex opere
operato“ in keiner Weise ein Element innerer Anbetung beinhaltet, d. h. die
Gefühle der Seele, die sich Gott zuwendet, um ihn anzubeten. Es ist wahr, dass
das Messopfer und die Sakramente auch dann gültig und wirksam sind, wenn sie
von unwürdigen Personen gefeiert werden. Ihre Wirksamkeit leitet sich jedoch
nicht aus ihrer liturgischen Handlung ab, als wäre diese eine magische
Handlung; ihre Wirksamkeit leitet sich aus den Verdiensten Jesu Christi ab, in
dessen Person sie ausgeübt werden, und die Verdienste Jesu Christi umfassen den
gesamten unendlichen Wert ihrer inneren Anbetung.
Man sollte nicht
meinen, die Kirche würde die Elemente der inneren Anbetung und die Heiligung
selbst vom Spender, der die Sakramente spendet oder spendet, entbehrt. Es ist
wahr, dass ihre liturgischen Handlungen in diesen Fällen gültig sind, auch wenn
sie unwürdig sind. Aber die Kirche erklärt sie für unzulässig und macht sie
schwer schuldig, wenn sie sich ihnen unwürdig, im Zustand der Todsünde oder
ohne die für die heilige Handlung erforderlichen Voraussetzungen nähern.
Gleiches gilt für die Sakramentalien, bei denen die Wirksamkeit nicht vom
Spender, sondern von der Kirche abhängt.
Darüber hinaus
wird bei der sakramentalen Handlung selbst das innere psychologische Element
nicht völlig vernachlässigt. Mit anderen Worten: Eine mechanische, äußerlich
vollzogene Handlung reicht nicht aus. Denn damit die Sakramente gültig sind,
verlangt die Kirche die Absicht des Spenders, „das zu tun, was die Kirche tut“.
26. Text der Enzyklika:
In diesem Zusammenhang
möchten Wir, ehrwürdige Brüder, eure Aufmerksamkeit auf jene neue Theorie der
christlichen Frömmigkeit hinlenken, die man „objektive“ (sachliche) Frömmigkeit
nennt; während diese Theorie das Geheimnis des Mystischen Leibes, die wahrhaft
heiligende Wirkkraft der Gnade sowie die göttliche Wirkung der Sakramente und
des eucharistischen Opfers klar herausstellt, scheint sie dahin zu zielen, die
„subjektive“ oder „persönliche“ Andacht herabzumindern oder ganz zu übersehen.
Kommentar der
Redaktion:
Bisher hat der
Papst von zwei Elementen gesprochen, die die Frömmigkeit der Kirche, d. h. des
mystischen Leibes, ausmachen – beides wesentliche Elemente:
a) die Taten Jesu
Christi, des Hauptes der Kirche, die von den Liturgiedienern fortgeführt
werden;
b) die Taten der
Gläubigen und des Liturgiedieners selbst, nicht als Stellvertreter Jesu
Christi, sondern als Privatperson.
Das erste Element
könnte man als objektiv, das zweite als subjektiv bezeichnen. Der vom Papst
verurteilte Irrtum besteht darin, das objektive Element zu übertreiben und das
subjektive Element zu unterschätzen oder gar zu vernachlässigen.
Da das subjektive
Element persönlich und das objektive daher kollektiv ist, besteht dieser Irrtum
darin,
1) die Frömmigkeit
überwiegend kollektiv oder liturgisch zu gestalten, zum Nachteil der privaten
oder persönlichen Frömmigkeit;
2) innerhalb der
kollektiven Frömmigkeit selbst das Element der persönlichen Frömmigkeit zu
unterschätzen, das ihr innewohnt und von ihr untrennbar ist. Dies wäre also
eine Entpersonalisierung und Sozialisierung der Frömmigkeit, die im
spirituellen Bereich das bewirken würde, was der Kommunismus im politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Bereich bewirkt. Es wäre die Bolschewisierung der
christlichen Frömmigkeit.
Wenn wir die
letzten und extremsten logischen Konsequenzen dieser Irrtümer ziehen und
Frömmigkeit als etwas völlig Unpersönliches begreifen, sind wir beim
Panpsychismus und Pantheismus angelangt.
Daraus ergibt sich
als Konsequenz, und zwar nur als Konsequenz, der Quietismus in der Frömmigkeit.
Wenn der Einzelne nichts mit Frömmigkeit zu tun hat, besteht seine Rolle darin,
ruhig und inaktiv zu bleiben, während sich die „ex opere operato“-Wirkungen der Liturgie in einem kollektiven und
unpersönlichen Bereich entfalten.
Dieses Thema,
eines der dichtesten, reichhaltigsten und tiefgründigsten dieser Enzyklika,
prangert die Verwandtschaft zwischen den Irrtümern des Liturgizismus und den
pantheistischen und sozialistischen Tendenzen der wichtigsten philosophischen
Strömungen unserer Zeit an. Dieses Thema wird deutlicher, wenn man die
Enzyklika „Mediator Dei“ in
Verbindung mit der Enzyklika „Mystici
Corporis Christi“ betrachtet. Letztere verurteilt diejenigen, die an einer
leiblichen Verbindung zwischen den Gläubigen und Jesus Christus festhalten, und
prangert damit die Existenz eines Neopantheismus mit christlichen Anklängen an,
der sich aus der Untersuchung der paulinischen Allegorie des mystischen Leibes
ergibt.
27. Text der Enzyklika:
In den liturgischen Feiern
und besonders im hochheiligen Opfer des Altares wird das Werk unserer Erlösung
weitergeführt und seine Frucht uns zugewendet. Christus wirkt in den
Sakramenten und in seinem Opfer tagtäglich unser Heil; durch sie entsühnt er
jederzeit die Menschheit und weiht sie Gott. Sie besitzen also eine „objektive“
(in ihnen selbst liegende) Kraft, die unseren Seelen das göttliche Leben Jesu
Christi tatsächlich mitteilt. Also nicht aus unserer, sondern aus Gottes Kraft
wohnt ihnen jene Wirksamkeit inne, welche die gläubige Gesinnung der Glieder
mit jener des Hauptes verbindet und sie gewissermaßen zur Haltung der ganzen
Gemeinschaft macht.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zeigt in
diesem Thema, worin wahre objektive Frömmigkeit besteht und dass sie, wie die
subjektive Frömmigkeit, auch das Ziel hat, die Gläubigen zu heiligen. In dieser
Erklärung der objektiven Frömmigkeit ist kein Platz für transpsychologische
Überlegungen. Tatsächlich erfordert diese Frömmigkeit die Mitwirkung des
menschlichen Willens, d. h. der subjektiven Frömmigkeit, wie der Papst später
sagen wird.
28. Text der Enzyklika:
Aus diesen scharfsinnigen
Gedankengängen schließen manche, die ganze christliche Frömmigkeit müsse im
Geheimnis des Mystischen Leibes Christi ihren Bestand haben ohne „persönliche“
oder „subjektive“ Beziehung; und sie sind sogar der Meinung, die übrigen
religiösen Übungen, die nicht eng mit der heiligen Liturgie verbunden sind und
sich außerhalb des öffentlichen Kultes vollziehen, seien hintanzusetzen.
So richtig nun die oben
dargelegten Grundsätze sind, die Schlussfolgerungen bezüglich der beiden Arten
von Frömmigkeit erkennt jedermann als irreführend, verfänglich und sehr
verderblich.
Kommentar der
Redaktion:
In diesem Zusammenhang
verurteilt der Papst die Behauptung, man dürfe sich nicht um die eigene
Heiligung kümmern, auch nicht in der Liturgie. Er verurteilt auch die damit
verbundene Vorstellung, dass private Frömmigkeitspraktiken, die ausschließlich
der „persönlichen und subjektiven Sorge“ dienen, von den Gläubigen nicht
übernommen werden sollten.
Dies zeigt die
wahrhaft pestilenzialische doktrinäre Wurzel der bekannten Verachtung der
Liturgen für private Frömmigkeit, ein Irrtum, der in einer Mitteilung der
Kirchenkammer von Rio de Janeiro und auch in der Enzyklika „Mistici Corporis Christi“ angeprangert wurde. Diese Irrtümer
werden vom Papst als „falsch, heimtückisch und äußerst schädlich“ eingestuft.
29. Text der Enzyklika:
Gewiss ist daran
festzuhalten, dass die Sakramente und das Messopfer eine durchaus innere Kraft
in sich bergen, weil sie eben Handlungen Christi sind, welche die Gnade des
göttlichen Hauptes den Gliedern des Mystischen Leibes zuleiten und zuteilen;
damit sie aber die entsprechende Wirksamkeit haben, muss notwendig von unserer
Seite die richtige seelische Verfassung dazukommen. Deshalb mahnt der Apostel
Paulus bezüglich der Eucharistie : So prüfe sich denn der Mensch, und dann esse
er von dem Brot und trinke aus dem Kelch[30]. Deshalb
nennt die Kirche alle Übungen, durch die besonders während der Fastenzeit unser
Inneres geläutert wird, „Wachtpostendienst des christlichen Kampflebens“[31], sind sie
doch tatkräftige Bemühungen der Glieder, die auf Anregung und mit Hilfe der
Gnade ihrem göttlichen Haupt anhangen wollen, damit, wie Augustinus sagt, „uns
in unserem Haupte die Quelle der Gnade selbst erscheine“[32].
Kommentar der
Redaktion:
Dieses Thema
verdeutlicht die enge und notwendige Verbindung zwischen objektiver und
subjektiver Frömmigkeit in der liturgischen Frömmigkeit selbst. Tatsächlich
gehören die Wirkhandlungen „ex opere
operato“ Jesus Christus selbst und können daher nur von dem Priester
vollzogen werden, der ihn vertritt. Die Teilnahme der Gläubigen erfolgt durch
das Zusammenwirken ihres freien Willens mit der Gnade. Dies ist ein
entscheidender Aspekt für das Verhalten der Gläubigen während der Liturgie. Es
ist absolut nicht notwendig, dass sie dieselben Formeln wie der Zelebrant
sprechen, aber es ist absolut notwendig, dass sie die Wirkhandlungen Christi
annehmen, was sie durch die Übereinstimmung von freiem Willen und Gnade tun.
Ein Gläubiger, der sich darauf beschränkte, dieselben Formeln wie der Priester
zu sprechen, und nicht darauf achtete, seine Seele für den Gnadenfluss, der aus
der heiligenden Handlung „ex opere
operato“ hervorgeht, bereitwillig zu empfangen, würde die Kirche verlassen,
wie der Pharisäer den Tempel verließ: ohne etwas von seinem Akt der Frömmigkeit
gewonnen zu haben.
30. Text der Enzyklika:
Aber wohlgemerkt, diese
Glieder leben und sind mit eigenem Verstand und freiem Willen begabt; deshalb
müssen sie unbedingt selber die Lippen an die Quelle legen, die lebenspendende
Nahrung aufnehmen und in sich umwandeln sowie alles ausstoßen, was der
Wirksamkeit dieser Nahrung hinderlich sein könnte. Es gilt also: das
Erlösungswerk, das in sich etwas von unserem Willen Unabhängiges ist, verlangt
unser inneres Mittun, damit wir das ewige Heil erlangen können.
Kommentar der
Redaktion:
Die obige These
wird bestätigt. Interessant ist der Standpunkt, auf den der Papst sie stützt: Nur
wenn die Kirche nicht aus lebendigen Gliedern bestünde, die über eigene
Vernunft und eigenen Willen verfügen – das heißt, nur wenn Pantheismus und
Panpsychismus wahr wären –, könnte auf die Mitwirkung dieser Glieder im
Lebenssystem des Mystischen Leibes verzichtet werden.
31. Text der Enzyklika:
Wenn die private und
persönliche Frömmigkeit der einzelnen das heilige Messopfer und die Sakramente
vernachlässigt und sich der heilbringenden Kraft entzieht, die vom Haupt in die
Glieder strömt, so wird sie zweifelsohne eine verwerfliche und unfruchtbare
Sache sein. Wenn aber alle mit der Liturgie nicht eng verbundenen Weisungen und
Übungen der Frömmigkeit sich gerade deshalb mit den menschlichen Handlungen
befassen, um sie auf den himmlischen Vater hinzurichten, die Menschen heilsam
zur Buße und heiligen Gottesfurcht anzueifern, sie von den Verlockungen der
Welt und Sünde hinweg und auf steilem Pfade glücklich zum Gipfel der Heiligkeit
zu führen, so sind sie wahrlich nicht nur höchsten Lobes würdig, sondern
einfachhin notwendig, weil sie nämlich die Gefahren des geistlichen Lebens
aufdecken, uns zur Tugendhaftigkeit erziehen und jenes lebendige Streben in uns
stärken, wodurch wir uns und all das Unsrige dem Dienste Jesu Christi weihen
sollen.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zeigt,
dass individuelle, außerliturgische Frömmigkeit für das Heil absolut
unverzichtbar ist. Sie stellt eine harmonische und wesentliche Ergänzung der
liturgischen Frömmigkeit dar. Daraus folgt, dass eine Bewegung, die
ausschließlich zur Vertiefung des Liturgiewissens gegründet wurde und dabei die
individuelle Frömmigkeit innerhalb und außerhalb der Liturgie vernachlässigte,
grundlegend falsch wäre. Die liturgische Bewegung, die der Papst entwickeln
möchte, umfasst die Förderung der privaten Frömmigkeit.
32. Text der Enzyklika:
Die christliche Religion
verlangt nämlich, richtig gepflegt, dass vor allem der Wille Gott geweiht werde
und mit seiner Kraft auf die übrigen Seelenfähigkeiten einwirke.
Kommentar der
Redaktion:
Beachten Sie
dieses Prinzip, das die gesamte Enzyklika dominiert.
33. Text der Enzyklika:
Nun aber setzt jeder
Willensakt Verstandestätigkeit voraus; und bevor das Verlangen und der Vorsatz
zustande kommen, sich dem ewigen Gott durch das Opfer zu weihen, ist die
Erkenntnis der Tatsachen und Wahrheiten, welche die Gottesverehrung zur Pflicht
machen, unbedingt erfordert; dazu gehören z. B. das letzte Ziel des Menschen
und die Erhabenheit der göttlichen Majestät, die Pflicht der Unterwerfung unter
den Schöpfer, sodann die unergründlichen Schätze der Liebe, mit denen Gott uns
zu bereichern wünscht, die Notwendigkeit des übernatürlichen Lebens zur
Erreichung des uns gesteckten Zieles und jener besondere, von der göttlichen
Vorsehung uns gewiesene Weg, insofern wir ja alle als Glieder des Leibes mit
Christus dem Haupte verbunden sind.
Kommentar der
Redaktion:
Dieser Abschnitt
verdeutlicht die Bedeutung einer Religionsunterweisung mit apologetischem
Charakter. Es verurteilt implizit eine gewisse antiapologetische Tendenz, die
heute offensichtlich ist.
34. Text der Enzyklika:
Weil aber die Beweggründe
der Liebe nicht immer über unseren bisweilen von verkehrten Regungen verwirrten
Geist Gewalt haben, ist es sehr angebracht, daß die Betrachtung der göttlichen
Gerechtigkeit uns in heilsamer Weise erschüttere und uns zu christlicher Demut,
Buße und Besserung des Lebens führe.
Kommentar
Herausgebers:
„Mystici
Corporis Christi“ verurteilt diejenigen, die sich der
Predigt über die ewige Strafe widersetzen. Pius XII. bekräftigt in dieser
Enzyklika dieselbe Verurteilung.
35. Text der Enzyklika:
Daraus ergibt sich ein
harmonisches Gleichgewicht der Glieder im Mystischen Leibe Jesu Christi. Indem
die Kirche uns im katholischen Glauben unterrichtet und zum Gehorsam gegen die
christlichen Gebote ermahnt, bereitet sie den Weg zu ihrer eigentlich
priesterlichen, unsere Heiligung bewirkenden Aufgabe; ebenso leitet sie uns zu
einer eingehenderen Betrachtung des Lebens unseres göttlichen Erlösers an und
führt uns zu einer tieferen Erkenntnis der Glaubensgeheimnisse. So spendet sie
uns überirdische Nahrung, damit wir durch sie gestärkt und mit der Hilfe
Christi sicheren Fortschritt in der Vollkommenheit machen können. Nicht allein
durch ihre Diener, sondern auch durch die einzelnen Gläubigen, die so den Geist
Jesu Christi in sich aufgenommen haben, bemüht sich die Kirche, das private,
eheliche, soziale, ja selbst das wirtschaftliche und politische Leben und
Handeln der Menschen zu durchdringen, damit alle, die Kinder Gottes heißen, das
ihnen gesteckte Ziel leichter erreichen können.
Kommentar:
Die unzerstörbare
gegenseitige Abhängigkeit zwischen privater Frömmigkeit und der Heiligen
Liturgie kann nicht deutlicher bekräftigt werden.
36. Text der Enzyklika:
Derlei private Übungen der
Gläubigen und der religiöse Eifer, der sie zur inneren Läuterung treibt, wecken
daher in ihnen gerade jene Kräfte, die es ihnen ermöglichen, besser am
hochheiligen Opfer des Altares teilzunehmen, die Sakramente fruchtbringender zu
empfangen und die gottesdienstlichen Handlungen so mitzufeiern, daß sie noch entschlossener
und befähigter werden zum Gebet und zur christlichen Entsagung, zur
bereitwilligen Aufnahme der Anregungen der göttlichen Gnade und zur täglich
vollkommeneren Nachahmung des Tugendlebens unseres Erlösers; und das nicht nur
zum eigenen Nutzen, sondern ebenso zu dem der ganzen Kirche: denn alles Gute,
das in ihr gewirkt wird, ist ein Kraftstrom, der ausgeht von ihrem Haupte und
sich heilsfördernd auf alle Glieder auswirkt.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst
beschreibt diese gegenseitige Abhängigkeit zwischen privater Frömmigkeit und
der Heiligen Liturgie als ein heilsames Auf und Ab: Private Frömmigkeit
ermöglicht eine wirksamere Teilnahme an liturgischen Handlungen, und diese
tragen dank dieser Voraussetzungen reichere Früchte für die Erbauung der
individuellen Frömmigkeit.
37. Text der Enzyklika:
Im geistlichen Leben kann es
also keinen Widerstreit geben zwischen dem göttlichen Wirken, das zur
ununterbrochenen Fortführung unserer Erlösung den Seelen die Gnade zuleitet,
und dem willigen Mitwirken der Menschen, die Gottes Geschenk nicht vergeblich
empfangen dürfen[36]; keinen
Widerspruch zwischen der Wirksamkeit des äußeren Zeichens der Sakramente, die
ex opere operato, d. h. aus dem Sakrament selber kommt, und dem verdienstlichen
Werk derer, welche die Sakramente spenden oder empfangen, was wir opus operantis, d.h. das Werk des
Handelnden nennen; keinen Widerspruch zwischen öffentlichem und privatem Gebet,
zwischen Sittenlehre und Mystik, zwischen Aszese und liturgischer Frömmigkeit;
keinen Widerspruch schließlich zwischen der Rechts- und Lehrgewalt der
kirchlichen Hierarchie und ihrer priesterlichen Gewalt im eigentlichen Sinne,
die sich im heiligen Amt betätigt.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst zählt
die falschen und verabscheuungswürdigen Gegensätze auf, die durch die Liturgie
geschaffen werden:
a) zwischen
privater Frömmigkeit und Liturgie;
b) zwischen Gnade
und freiem Willen;
c) zwischen Ritus
und inneren Dispositionen;
d) zwischen Handeln
„ex opere operato“ und Handeln „ex opere operantis“;
e) zwischen Moral
und Kontemplation;
f) zwischen Askese
und Liturgie;
g) zwischen
Jurisdiktionsgewalt und Lehramt und der Weihegewalt.
38. Text der Enzyklika:
Aus schwerwiegenden Gründen
besteht die Kirche darauf, daß die amtlichen Diener des Altares und die
Ordensleute zur festgesetzten Zeit der Betrachtung, der eifrigen
Gewissenserforschung und Gewissensreinigung, sowie den übrigen geistlichen
Übungen obliegen[37], gerade
weil sie in besonderer Weise zu den liturgischen Funktionen des heiligen Opfers
und des Lobes Gottes bestimmt sind.
Kommentar der
Redaktion:
Der Papst betont,
dass die private Frömmigkeit des Zelebranten bei der Feier liturgischer
Handlungen eine bedeutende Rolle spielt. Diese Lehre gilt auch für die
Gläubigen.
39. Text der Enzyklika:
Zweifellos hat das
liturgische Gebet als öffentliches Gebet der erhabenen Braut Jesu Christi eine
höhere Würde als das private. Allein diese höhere Würde besagt keinen Gegensatz
oder Widerspruch zwischen diesen beiden Gebetsarten. Da sie von ein- und
demselben Geiste beseelt sind, fließen sie zu harmonischer Einheit zusammen
nach dem Worte alles und in allem Christus[38]und streben
demselben Ziele zu, bis Christus in uns Gestalt gewinnt[39].
Kommentar der
Redaktion:
Die vielfach
behauptete und wahrhaft herausragende Bedeutung der Liturgie rechtfertigt keine
Verachtung der privaten Frömmigkeit.
* * *
Dieser war der letzte Artikel von
Prof. Plinio Corrêa de Oliveira in der letzten Ausgabe des „Legionário“. An
diesem Tag wurde er Fristlos all seiner publizistischen Tätigkeiten entlassen
auf Grund seiner anti-progressiven Einstellungen. Selbst seine Anwaltskanzlei
in der er einige Angelegenheiten der Kurie verwaltete, musste er schließen, da
ihm alle Mandanten seinen Dienst kündigten. Es folgte eine Zeit der völligen
Zurückgezogenheit bis 1951, als P. Antonio de Castro Meyer und P. Geraldo
Sigaud SVD von Pius XII. zu Bischöfen ernannt wurden. Mit der Gründung der Monatszeitschrift
„Catolicismo“ als offiziöses Blatt der Diözese Campos, zu der Bischof Antonio
de Castro Meyer ernannt wurde. So fing Plinio Corrêa de Oliveira sein neues
Apostolat in Kirche und Gesellschaft von Neuem an.