Donnerstag, 11. Dezember 2025

UNTER DEM ZEICHEN DER VERWIRRUNG UND DER HOFFNUNG

 

Plinio Corrêa de Oliveira

Schon oft wurde ich beauftragt, den klassischen Silvesterartikel für eine Zeitung zu schreiben, in dem der Leser einen geordneten Rückblick auf die Eindrücke des vergangenen Jahres und einige Vorhersagen für das neue Jahr erwartet. Ich gestehe, dass mir diese Aufgabe nie schwergefallen ist. Mit etwas Erinnerungsvermögen, soliden Prinzipien und logischem Denken ist es in der Regel nicht schwer, Fakten zu analysieren und zu systematisieren. Diese erscheinen auf den ersten Blick fast immer verwirrender, als sie tatsächlich sind. Es genügt, den richtigen Blickwinkel zu finden – in diesem Fall die katholische Lehre –, um sie sofort zu verstehen. Und so kann der katholische Journalist ohne große Mühe die berechtigten Erwartungen seiner Leser zu Beginn eines jeden Jahres erfüllen.

Diesmal jedoch gestehe ich, dass ich fürchte, die Schwierigkeit dieser Aufgabe nicht bewältigen zu können. Es gibt viel zu sagen. Und gleichzeitig fast nichts. Denn das Gesamtbild des Jahres 1951 ist wahrlich verwirrend. Ich betone diesen Punkt besonders. Es gibt interessante Verwirrungen: es sind oberflächliche Verwirrungen, die in ihrer Tiefe eine tiefere Bedeutung offenbaren, die es zu ergründen gilt. Doch es gibt auch fade Verwirrungen, da sie keine Tiefe besitzen, keine tiefere Logik im Kern der Fakten verbergen und sich durch keine Interpretation in Ordnung und Klarheit bringen lassen. Was das Jahr 1951 betrifft, befinden wir uns in der letzteren Kategorie. Die Verwirrung an sich ist brutal und unauflöslich. Man kann sie nur so akzeptieren, wie sie ist, und darüber nachdenken. Gibt es etwas, das weniger Diskussionsstoff bietet als Verwirrung? Und gibt es etwas, das zu mehr Weitschweifigkeit zwingt als Verwirrung, wenn man unbedingt darüber sprechen muss? Wie Sie sehen, ist die Aufgabe schwierig. Gehen wir sie jedoch an, ohne einen vorgefassten Plan zu haben, denn selbst dies lässt die Verwirrung nicht zu.

* * *

Richten wir unseren Blick auf die ideologische Landkarte der Welt, denn es sind die Ideen, die uns am meisten interessieren. Was brachte uns das Jahr 1951 im Kontext des größten Kulturkonflikts unserer Zeit? Verwirrung.

Auf der einen Seite setzte sich im Westen der massive Angriff moderner religiöser Strömungen auf die Kirche fort. Der Katholik, der Protestantismus oder Spiritismus noch immer als Hauptgegner des Glaubens in den großen Kulturzentren betrachtet, ist so rückständig wie jemand, der die unförmigen und klobigen Automobile des Jahres 1900 für die effizientesten und ästhetisch ansprechendsten Transportmittel hält. Der wahre Gegner liegt im Pantheismus in seinen vielfältigen Ausprägungen. Kratzt man an irgendeinem philosophischen System, das sich als neuartig ausgibt, an jeder mehr oder weniger aktuellen Form des „Spiritualismus“, so findet man direkt unter der Oberfläche den Pantheismus. Das Universum ist göttlich, und die Menschheit, ein integraler Bestandteil des Universums, ist ebenfalls göttlich. Das Glück des Menschen besteht darin, sich seines göttlichen Wesens bewusst zu werden und in sich die gelebte Empfindung seiner eigenen Göttlichkeit zu erwecken. Dies gelingt ihm durch eine Reihe mentaler Übungen oder mehr oder weniger magischer liturgischer Formeln, deren Modalitäten je nach System variieren und – wie es in der Magie üblich ist – im Allgemeinen nur wenigen Eingeweihten bekannt sind. Diese Manifestation göttlicher Energien in den Tiefen unseres Seins bietet uns nicht nur allerlei nützliche und beglückende innere psychische Dienste, sondern ist auch für den Kosmos selbst von großem Nutzen. Denn je mehr wir göttliche Energien in uns erwecken, desto mehr werden sie in anderen Wesen aktiviert. Und während sie in anderen Wesen aktiviert werden, schreitet das gesamte Universum voran, dessen Entwicklung im Wesentlichen in der Entfaltung der göttlichen Energien besteht, die in ihnen vorhanden sind, vergleichbar mit dem Wind im Raum.

Dieses System führt offenkundig zum Tod der Intelligenz. Wenn der Mensch Gott erkennen und mit ihm kommunizieren will, darf er weder studieren noch denken. Es genügt, wenn er die Methoden kennt, die in ihm die sinnliche Erfahrung der Gegenwart und Wirkung universeller und göttlicher Energien in sich erwecken können.

Selbst der Wille verliert in diesem System seine Daseinsberech- tigung. Eine wirkliche Vereinigung mit dem Göttlichen findet nicht durch Willensanstrengungen statt, die auf das Tun des Guten und das Meiden des Bösen gerichtet sind. Es genügt, wenn der Mensch durch geeignete Methoden in sich die Erfahrung erwecken kann, dass sein Wesen von Natur aus von göttlichen Kräften durchdrungen ist; was zudem nicht so schwierig ist, da jeder Eingeweihte diese Methoden kennt und anwenden kann.

* * *

Es ist klar, dass all dies ohne den Schleier des Geheimnisvollen weder verführerisch noch charmant wirken könnte. So erfand die wiederauflebende Magie des 20. Jahrhunderts nicht nur Wörter, sondern ganze Vokabulare – neu und kompliziert –, ein ganzes literarisches System voller vager und prunkvoller Bilder, in dem diese fundamentalen Aussagen, deren Details von Schule zu Schule schier unendlich variieren, für die arme, verweichlichte, betäubte und abgestumpfte Christenheit des 20. Jahrhunderts in Umlauf gebracht wurden.

Daher herrscht offenkundig eine immense Verwirrung an Begriffen, Systemen und Strömungen. Im Laufe des Jahres 1951 hielt diese Verwirrung an und nahm sogar noch zu.

So herrscht außerhalb der Grenzen der Kirche eine Religiosität vor, die letztlich zutiefst gottlos ist. Und in katholischen Kreisen? Während wir diese Frage stellen, beschleicht uns ein Gefühl der Traurigkeit. Die Wahrheit gebietet uns, zu sagen, dass auch dort Verwirrung herrscht.

Mit der Wachsamkeit eines Hirten, der Weisheit eines Meisters und der Sanftmut eines Vaters hat der Heilige Vater Pius XII. seit etwa zehn Jahren in wiederholten Schreiben auf die Existenz von Lehren hingewiesen, „die sich unter die Gläubigen einschleichen“, wie es im ältesten dieser Schreiben, „Mystici Corporis“, heißt. Diese Lehren versuchen, unter dem Deckmantel der Frömmigkeit und Orthodoxie die Gläubigen zu schwerwiegenden Irrtümern in Glaubens- und Sittenfragen zu verleiten, darunter auch zum Pantheismus selbst. Nach „Mystici Corporis“ folgten „Mediator Dei“, „Bis Saeculari“, „Humani Generis“, die jüngste päpstliche Ansprache an die Mitglieder des Weltkongresses des Laienapostolats und nun die Ansprache an die Familienväter, die wir heute veröffentlichen und die Warnungen von beinahe tragischer Schwere enthält. In all diesen Dokumenten, teils explizit, teils implizit, spricht der Heilige Vater Pius XII. die Irrtümer an, die heimlich unter den Gläubigen kursieren und bei denen, die das ganze Ausmaß der Tatsachen erkennen, Überraschung und Verzweiflung auslösen. 1951 setzte sich dieser schleichende Angriff fort und wurde immer mehr verbreitet und aktiver. Doch… hier liegt der Gipfel der Verwirrung: Nur wenige, die sich von der erhabenen Sphäre der päpstlichen Lehre zum Alltag bewegen, sind in der Lage, den allumfassenden und stetigen Fortschritt neuer Strömungen zu erkennen. Daher verschränken viele, selbst in guter Absicht, die Arme und tadeln sogar diejenigen, die sich über das Übel Sorgen machen. Damit spielen sie, obwohl sie es nicht wollen, denjenigen in die Hände, die Verwirrung stiften.

* * *

Dieses Spiel der Verwirrung erkennen alle Kräfte der Gottlosigkeit, genau wissend, wie vorteilhaft es ihnen ist. Zum Beispiel Russland. Im Laufe des Jahres 1951 bemühten sie sich in Ungarn, Polen, Rumänien und China eifrig, nicht etwa Kirchen zu schließen und jeglichen Gottesdienst auszurotten – was eine verabscheuungswürdige, aber klare und nachvollziehbare Haltung gewesen wäre –, sondern vielmehr, mithilfe verkommener abtrünniger Priester überall „Nationalkirchen“ in den Diensten der Sowjets zu errichten. Was erwarteten die Sowjets von solchen „Kirchen“? Offenbar Verwirrung. Die Riten blieben intakt, die Sakramente dieselben, zumindest dem Anschein nach, die Lehre vielleicht in ihren Grundzügen. Es wurde die Illusion erzeugt, es gäbe keinen Konflikt zwischen Kommunismus und Katholizismus, sondern nur zwischen einigen hohen Prälaten, die „an die Kapitalisten verkauft“ worden seien, und den russischen Machthabern. Und diese Lüge wurde mit der „konkreten Tatsache“ der Unterstützung gerechtfertigt, die die kommunistischen Machthaber den „Nationalkirchen“ gewährten, die in all ihren äußeren Formen dem Katholizismus selbst glichen.

POLITISCHE VERWIRRUNG: TITO, DER ANTISOWJETISCHE KOMMUNIST

Vom Religiösen zum Politischen Parkett zu wechseln, betrachten wir ein Thema, das beides zugleich ist: Marschall Tito.

Vor wenigen Tagen wurde die relative Freilassung von Monsignore Stepinack bekannt. Daraufhin spekulierten mehrere Zeitungen über eine mögliche vollständige Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Jugoslawien, insbesondere zwischen diesem Land und den lokalen kirchlichen Autoritäten. Letztlich wird im Verborgenen der Boden bereitet, damit die katholische Öffentlichkeit das kommunistische Regime in seiner „titoistischen“ Form akzeptiert, obwohl sie es in seiner „stalinistischen“ Form weiterhin ablehnt.

Was steckt in all dem anderes als Verwirrung? Wenn wir unter Kommunismus die Lehre von Marx verstehen, was genau ist dann der stalinistische Unterton des Marxismus? Offenbar die konkrete Anwendung, die Stalin den Prinzipien von Marx geben will oder gegeben hat. Doch abgesehen von ein, zwei allgemeinen Punkten, was wissen wir darüber? Nichts, eben weil niemand genau weiß, was in Russland vor sich geht. Andererseits ist es lächerlich, von einer Tito-Interpretation der marxistischen Lehre in Jugoslawien zu sprechen. Marschall Tito, der von vornherein ein Schein- und Verwirrungsmarschall ist, da er nie eine reguläre Ausbildung für einen so hohen Rang absolviert hat und auch nicht von einer rechtmäßigen Regierung zum Marschall befördert wurde, ist kein Denker, sondern allem Anschein nach ein ehrgeiziger und hemmungsloser Politiker, wie so viele heute. Er spielt ein doppeltes Spiel zwischen den Amerikanern und den Sowjets, worauf wir später noch eingehen werden. Letztendlich: Was sind seine Lehren? Wahrscheinlich hat er gar keine. Falls er sie hat, wann hat er sie geäußert, wo sind sie zu finden und wie setzt er sie in die Praxis um? Niemand weiß es, da Nachrichten über Jugoslawien praktisch genauso spärlich sind wie jene über Russland.

Trotzdem herrscht heute so viel Oberflächlichkeit, dass es in Clubs, Cafés und Buchhandlungseingängen nicht an Kommentatoren mangelt, die ihre Einschätzungen und politischen Kalkulationen auf klugen Unterscheidungen zwischen Tito-Kommunismus und Stalin-Kommunismus gründen. Verwirrung …

Mit dieser Verwirrung verbunden, ja, wie aus ihr geboren, gibt es eine weitere, nicht minder schwerwiegende.

Während des gesamten Krieges vermittelten die Reden der alliierten Führer die Vorstellung, ihre jeweiligen Nationen kämpften gegen den Nationalsozialismus, in einer Art universellem Kreuzzug für die christliche Zivilisation. Ich war während dieser Zeit aktiv in der Presse tätig und habe mir, noch bevor Brasilien in den Weltkrieg eintrat, stets leidenschaftlich die Zerschlagung des Nationalsozialismus gewünscht. Dieser Umstand gibt mir genügend Berechtigung, jetzt eine Frage zu stellen. Ist es nur gegenüber dem Nationalsozialismus, dass die USA und Großbritannien ihre christliche Spiritualität so stark empfinden, oder auch gegenüber dem Kommunismus? Im ersten Fall: Welchen Sinn hat ihr Kampf gegen die UdSSR? Im zweiten Fall: Warum akzeptieren sie Marschall Tito als Verbündeten? In der Hoffnung, ihn zu täuschen, ihn im Moment auszunutzen und den sogenannten „Titoistischen Kommunismus“ nach dem Sieg zu vernichten? Wenn die USA und Großbritannien in diesem Bündnis gegen den „Titoismus“ Hintergedanken haben, ist es berechtigt zu fragen, ob Marschall Tito diese auch hegt. Wäre es dann nicht ratsam, die Hypothese eines Jugoslawiens in Betracht zu ziehen, dass dank amerikanischer Hilfe über immensen materiellen Wohlstand und militärische Stärke verfügt und sich auf dem Höhepunkt des Kampfes unerwartet den Moskauer Kommunisten anschließt? Warum setzen die Staatsmänner Washingtons so großes Vertrauen in Tito? Verwirrung pur… Und als ob das nicht schon genug wäre, lässt sich in diesem Bereich noch eine weitere Verwirrung feststellen. Weltweit sind kommunistische Kreise gespalten. Auf der einen Seite stehen die Stalinisten, auf der anderen die Antistalinisten, mehr oder weniger Trotzkisten, mehr oder weniger Titoisten. Erstere bereiten sich darauf vor, die Russen im Kriegsfall überall zu unterstützen. Letztere, gegen sie zu kämpfen. Offensichtlich nehmen viele antikommunistische Elemente diese Spaltung ernst und begrüßen bereitwillig die Zusammenarbeit der kommunistischen Führer, die einen Bruch mit Moskau herbeigeführt haben. Wie viel ist die Aufrichtigkeit dieses Schismas wert? Wie viel ist die Aufrichtigkeit dieser neuen Zusammenarbeit wert? Bedeutet die Aufnahme dieser neuen Verbündeten im Herzen des antikommunistischen Widerstands nichts anderes, als die Mauern für etwas Ähnliches wie ein trojanisches Pferd zu öffnen und die Verwirrung nur noch zu vergrößern?

Wir wollen nicht voreilig Schlüsse ziehen. Es erscheint jedoch angebracht, an die Strategie zu erinnern, die in bestimmten Regionen des Landes von einigen Familien angewendet wurde, um sich stets die Gunst der Regierung zu sichern. Die Familie spaltet sich. Ein Teil bleibt in der Regierung, der andere in der Opposition. Und so steht, ungeachtet des Wahlausgangs, der einheimische Clan stets an der Spitze. Hätte Stalin das Überleben einer starken und angesehenen internationalen Kommunistischen Partei, selbst im Falle einer Niederlage der UdSSR, sichern wollen, hätte er nicht anders gehandelt. Sollte der Kampf zu seinen Gunsten verlaufen, wird Marschall Tito die Angloamerikaner im richtigen Moment verraten und den Sieg beschleunigen. Sollte er jedoch scheitern, stünde Tito vor der Aufgabe, den internationalen Kommunismus zu retten, ihm einen Platz im öffentlichen Bewusstsein zu sichern und neue Möglichkeiten für Kampf und Sieg in der Nachkriegswelt zu eröffnen. Mit dieser Annahme, so meinen wir, lüftet sich der Schleier der Verwirrung ein wenig.

SOZIALE VERWIRRUNG: ANTI-SOZIALISTISCHE KOMMUNISTEN

Nie wurde so viel gegen den Kommunismus geredet, nie wurde der Sozialismus so gepriesen und so weit vorangetrieben wie 1951. Und das ist dem Handeln der meisten Verfechter des Antikommunismus zu verdanken. Was ist Sozialismus? Ein langsamer und schrittweiser Prozess hin zum Kommunismus. Sozialisten und Kommunisten unterscheiden sich daher nicht im Endziel ihres politischen Handelns, sondern nur in ihren jeweiligen Methoden. Kommunisten sind bekanntlich Verfechter gewaltsamer und unmittelbarer Aktionen.

Wie lässt sich erklären, dass sich eine Welt, die sich bis an die Zähne gegen den Kommunismus bewaffnet, unmerklich auf ihn zubewegt und zunehmend sozialisiert wird? Wieder einmal müssen wir uns eingestehen: Verwirrung.

Zum einen trägt dazu die ständige Kriegsgefahr bei, in der Moskau die westliche Welt hält. Die Kriegsvorbereitung setzt eine vollständige Anpassung und damit gewissermaßen eine tiefgreifende Verfälschung der industriellen, kommerziellen und sogar landwirtschaftlichen Aktivitäten eines jeden Volkes voraus. Diese Anpassung – die durch die Gefahr absolut notwendig wird – kann nur durch ständige staatliche Eingriffe in die Wirtschaft erreicht werden. Andererseits bringt diese Verfälschung Krisen mit sich, die wiederum in der gegenwärtigen politischen Struktur des Westens nur vom Staat gelöst werden können. Von dort aus übernimmt der Staat nach und nach die Kontrolle über alles.

Gleichzeitig ist die westliche Welt von den Prinzipien der Französischen Revolution berauscht. Man könnte sogar sagen, dass das Wesen des westlichen politischen und sozialen Denkens die Ideologie der Revolution selbst ist. Diese war, scheinbar liberal, in Wirklichkeit zutiefst sozialistisch. Gracchus Babeuf, der während der Französischen Revolution einen kommunistischen Staatsstreich versuchte, war das logische und letztendliche Produkt der revolutionären Mentalität. Wenn sich also manche christliche Traditionen den Westen noch immer dem Kommunismus entgegenstellen, führen andere, dem Christentum feindlich gesinnte ideologische Strömungen, die tief in die moderne Seele eingedrungen sind, tatsächlich zur totalen Kollektivierung des Lebens. Dieser gleichzeitige Einfluss zweier antagonistischer Doktrinen ist die Wurzel unserer großen Verwirrung.

ÜBERLEGUNGEN AM RANDE DER VERWIRRUNG

Es ist nicht ratsam, hier ins Detail zu gehen. Wir wissen jedoch, dass der internationale Kommunismus unsere Schwächen und den Nutzen revolutionärer Ideen für ihn genau kennt. Indem er das Kriegsrisiko aufrechterhält, weiß er, dass er uns auf dem Weg zum Sozialismus weit vorantreibt. Dieser Kurs kann ihm nur gefallen. Ist die Aufrechterhaltung des Risikos nicht eine Strategie, um dieses Ziel zu erreichen? Jeder, der sich dem Problem direkt stellt, wird versucht sein, dies zu bejahen…

Eine weitere Überlegung: Der internationale Kommunismus weiß, dass die Kirche das einzige ernsthafte Hindernis ist, dem er auf seinem Weg begegnet. Der Vormarsch des mystischen und sinnlichen Pantheismus ist für jene, die die Kirche stürzen wollen, zweifellos von großem Vorteil. Noch vorteilhafter ist die Verbreitung verschleierter Irrtümer unter Katholiken, die manche in den Abgrund der Ketzerei stürzen, andere entmutigen und verwirren. Wer profitiert, so fragen wir, von der Verbreitung dieser Irrtümer, vom Schaden, von der Unordnung, die sie überall säen, von der unbeschreiblichen Schwierigkeit, die sie selbst den treuesten Dienern der Orthodoxie bereiten? Offenbar der internationale Kommunismus. Ist es daher nicht gewiss, dass das anhaltende Fortbestehen dieser Verbreitung nur jenen nützt, die die christliche Zivilisation stürzen wollen?

Es stimmt also, dass in diesem Bild viel Verwirrung herrscht. Doch es stimmt auch: Wenn wir, anstatt nach Logik zu suchen, wo keine ist, die Verwirrung als unbestreitbare Tatsache akzeptieren und uns damit abfinden, jenseits dieser Verwirrung zu argumentieren, um zu prüfen, wem sie nützt und wohin sie führt, bleibt die Antwort immer dieselbe. Man könnte sagen, dass der lauwarme und dunkle Hauch des Geistes des Bösen durch die Welt weht und mit geheimnisvoller Erlaubnis Gottes über Menschen und Dinge nach Belieben verfügt.

HOFFNUNGEN: „NOLITE TIMERE“

Dennoch ist hier eine Reflexion angebracht. Warum appelliert der Geist des Bösen an die Verwirrung? Weil es in dieser chaotischen und dekadenten Welt, vielleicht sogar an Orten, die oberflächlichen Beobachtern verborgen bleiben, noch immer viele Seelen gibt, die das Böse verabscheuen. Denn wenn sich der Teufel verbirgt, um voranzukommen, dann deshalb, weil er weiß, dass ihm viele den Weg versperren würden, wenn er offen handelte. Darin liegt der ermutigende Funke des Augenblicks. Einst entrollten die Heerscharen der Gottlosigkeit im Sonnenlicht das satanische Motto „écrazez l'Infàme“ (Zerschmettert die Schändliche)(*). Heute marschieren sie weiterhin siegreich … aber mit eingerollten Fahnen! Das bedeutet, dass es heute mehr Streiter Gottes gibt, die bereit sind, in der Stunde der größten Prüfungen zu kämpfen.

Und dieser Lichtstrahl, der den dunklen Horizont durchbricht, ist nicht der einzige. Inmitten der Verwirrung der Erde öffnete sich der Himmel, und die Jungfrau Maria erschien in Fatima, um den Menschen die Wahrheit zu verkünden. Eine strenge Wahrheit der Ermahnung und Buße, aber eine Wahrheit voller Heilsverheißungen. Das Wunder von Fatima wiederholte sich beinahe am Ende dieses traurigen und beschämenden Jahres der Verwirrung in den Augen des Stellvertreters Christi, um zu bezeugen, dass Gottes Drohungen weiterhin über den Menschen schweben, der Schutz der Jungfrau Maria die Kirche und ihre wahren Kinder aber niemals verlassen wird.

Wird uns das Jahr 1952 die schrecklichen Strafen bringen, die in Fatima prophezeit wurden? Wenn sie eintreten, wird es niemanden überraschen. Die Sünden haben ihren Höhepunkt erreicht, die Verschwörung des Bösen beherrscht die Erde.

Doch diejenigen, die auf die Heilige Jungfrau Maria vertrauen, haben allen Grund, nichts zu fürchten. Wir verlassen das Jahr 1951 und treten in das Jahr 1952 ein mit dem Eindruck, dass aus Fatima und dem Vatikan die Stimme der Jungfrau Maria in unsere Herzen dringt: „Nolite timere, pusillus grex“ (Lk 12,32). Fürchte dich nicht, du kleine Herde.

(*) „Die Schändliche“ Bezeichnung der Französischen Revolution für die Katholischen Kirche



Verwirrung ist das Werk des Teufels, des Vaters der Lüge. Von Natur aus kann sich der Geist des Bösen nur selten offenbaren. Das sicherste Zeichen seines Wirkens und seiner Gegenwart ist Verwirrung, Widerspruch, Chaos, in dem er wirken kann, ohne sich deutlich zu zeigen. Im Gegenteil, Logik, Kohärenz, Harmonie und Klarheit sind notwendige Merkmale jeder Umgebung, in der der Heilige Geist wirkt. Daran lässt sich messen, wie stark der Hauch des Geistes der Finsternis in der unruhigen und dämmerigen Welt ist, in der wir leben.

Doch die Gottesmutter, der die Aufgabe anvertraut wurde, der Schlange immer wieder den Kopf zu zertreten, erwirkt für die Kirche – nicht selten in Momenten höchster Not – die glorreichen Triumphe, die in kurzer Zeit die uralten Pläne Satans zunichtemachen.

Einen dieser Triumphe erwarten wir als Ausgang der tragischen Krise unserer Tage. Und wieder einmal wird das unsterbliche Rom des heiligen Petrus zum Mittelpunkt des Lebens aller Völker werden. Denn nur mit dem Triumph des Papsttums kann die Welt aus der Dunkelheit, der Verwirrung und der Qual, in der sie sich befindet, erwachen.  


Aus dem Portugiesischen „Sob o signo da confusão e da esperança” in „Catolicsimo“ von Januar 1952
Die deutsche Fassung dieses Artikels „Über die Unschuld un das Scheitern“ ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

© Veröffentlichung dieser deutschen Fassung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

 

Dienstag, 9. Dezember 2025

König Sebastian von Portugal: Über die Unschuld und das Scheitern

 


Es gibt eine historische Gestalt, die ich gerade deshalb bewundere und verehre: König Sebastian von Portugal (Bild). Er verkörpert genau dies. Es ist der junge, unschuldige König, in den Augen seines ganzen Königreichs als unschuldig bekannt, dass von dieser Unschuld verzaubert ist und ihn bewundert. Doch in ihm ist die Strahlkraft der Unschuld eng mit der Strahlkraft seiner Waffen verbunden; er ist ein Kriegerkönig, und als junger, gutaussehender, geschickter und ruhmreicher Krieger verkörpert er alle Hoffnungen Portugals auf den Sieg. Er ist ein Sonnenstrahl, ein goldener Strahl der Morgensonne, die noch nicht richtig aufgegangen ist; er besitzt bereits die Helligkeit des Mittags, aber noch die Frische der Morgendämmerung.

Er bereitet sich auf den Kampf vor. Ich kenne zwei Gemälde von König Sebastian: eines zeigt ihn als Jungen mit einer kleinen Samtmütze, wenn ich mich nicht irre, schwarz, mit einer kleinen weißen Feder, bereits gekleidet wie ein kleiner Mann, denn er ist der König. Ich sehe in ihm die ganze Leichtigkeit einer unvergleichlichen Unschuld, die ein ganzes Volk erhellt und das Reich erstrahlen lässt, dass aus ihm geboren wird.

Wenn ich das Leben König Sebastians betrachte, sehe ich, dass er seiner Jungfräulichkeit bis zu dem Augenblick treu blieb, als er aufbrach, um Afrika zu erobern. Ich sehe und weiß auch, dass er sehr fromm blieb. Es gibt Gemälde, die ihn in Zivilkleidung am Vorabend seiner Abreise nach Afrika zeigen. Vielleicht gibt es auch ein mir unbekanntes Gemälde, das ihn in Militäruniform darstellt. In der Zivilkleidung liegt jedoch etwas, eine gewisse Traurigkeit in ihm.


Der erwachsene König Sebastian hat seine Jungfräulichkeit, er hat seine Frömmigkeit, [aber] etwas von dem Zauber seiner Unschuld ist verflogen. Hat etwa seine Gottesliebe nachgelassen? Es ist gewagt, sich über Jahrhunderte hinweg, angesichts einer so ruhmreichen Persönlichkeit, die auf so einzigartige Weise quasi heiliggesprochen wurde – und darauf komme ich gleich zurück –, vorzustellen, was geschehen sein mag. Doch obwohl ich das als gewagt betrachte und keine Behauptung aufstelle, sondern lediglich einen Eindruck schildere, habe ich dieses Gefühl.

In der Zeit König Sebastians gab es viele Menschen, die noch vom Glanz des Rittertums fasziniert waren, doch das Rittertum hatte ihren Charakter gewandelt. Es war nicht mehr das religiöse Rittertum, das sich als Kriegerisch behauptete aus Liebe zu Gott und Anspruchslos -, ein Rittertum der Anspruchslosigkeit und des heiligen Heldenmutes, wie eines unserer Häuser, das des hl. Benedikt, genannt wird – das war nicht dieses Rittertum, sondern ein anderes Rittertum: prahlerisch, stolz, weltlich, das sich heroisch inszenieren wollte, um in den Salons von den Damen bewundert zu werden. Es war das Rittertum Bayards, und nicht mehr das Rittertum Gottfrieds von Bouillon. Es war etwas anderes.

Man gewinnt den Eindruck, dass sich etwas von diesem gottesfürchtigen Rittertum mit dem wahrhaft katholischen Rittertum in der Seele des jungen Königs vermischt hatte und dass etwas Eitelkeit, etwas Koketterie begonnen hatte, diese Seele zu trüben. Doch so edel und erhaben war er immer noch, doch etwas war verloren gegangen. Sie, kennen den Rest der Geschichte; ich will sie nur in zwei Worten zusammenfassen.

Er organisiert eine Expedition nach Afrika, fest entschlossen, die muslimische Macht in Afrika zu brechen, um so auch die muslimische Macht in Asien und im Nahen Osten leichter brechen zu können und ein stabiles Königreich in Jerusalem zu errichten, damit die heilige Stadt wahrhaftig den Kindern der heiligen Kirche gehören könne.

Er sticht in See. Man kann sich die Schönheit des Tejo vorstellen, als er an Bord ging: den glitzernden Tejo, die Schiffe – kleine Schiffe, die den Männern so groß und außergewöhnlich erschienen –, die Schiffe, die ablegten, die Freude des Abschieds. Stellen Sie sich vor, was Sie wollen. Tatsache ist, dass er in Afrika ankommt und von Bord geht.

Doch im Moment der Schlacht scheint es, als führe er eine verwegene Schlacht, von der man ihm abgeraten hatte und als habe er sie aus reiner Prahlerei geführt. Aber er war, trotz allem, der reine König, der keusche König.

Dieser König, in dessen Seele die schreckliche Versuchung der Unschuldigen wohnte, die ich hier beschrieb – genau diese Versuchung –, dieser König, in dessen Seele dies geschah, dieser König wird vom Widersacher gefangen genommen und von einem unerbittlichen Lauf der Ereignisse verschlungen: Er verschwindet. Er verschwindet inmitten des erbärmlichen maurischen Pöbels, und man hört nie wieder von ihm. Weder in westlichen noch in den uns heute zugänglichen arabischen Quellen; es gibt portugiesische, spanische und andere Historiker, die Arabisch gelernt haben und arabische historische Quellen nach Belieben konsultieren. Sie haben keine Spur davon gefunden, was nach der tragischen Schlacht von Alcácer Quibir mit König Sebastian von Portugal geschah.

Es gibt nur zwei wunderschöne Wiederscheine, die beweisen, wie Gott in diesem Geschehen wirkte.

Weit, weit, weit entfernt von diesem Schlachtfeld, an einem sehr großen, sehr geraden Strand mit feinem weißem Sand und einem sanft plätschernden, streichelnden Meer, spaziert ein Spanier, der Portugal oder der portugiesischen Provinz der Gesellschaft Jesu gedient hatte, am Strand entlang. Es ist der selige José de Anchieta, den wir soeben angerufen haben, der Beschützer der Stadt São Paulo, die damals noch nicht existierte.

Er geht hin und her und hat plötzlich eine Vision, und mit dieser Vision ein Stich der Trauer: König Sebastian ist besiegt. Gott vertraute sozusagen diesem so fernen Freund seine Trauer an, sozusagen weinte Gott aus Anchietas Herzen.

Und in Spanien – ich erinnere mich nicht genau, welcher Heilige – sieht in seiner mystischen Ekstase plötzlich König Sebastian besiegt bei Alcácer Quibir. Und sie sagen: Große Traurigkeit ist geschehen: Der König ist besiegt.

Seht das Geheimnis dieser Situation. Sie sagen, der König sei besiegt worden, Gott sagt ihnen, er sei besiegt worden, doch er scheint ihnen nicht zu sagen, was mit dem König geschehen ist.

Und das Geheimnis bleibt bestehen. Wir können uns den jungen König in seinem Fall vorstellen. Unter welchen Umständen? Alle Fantasie könnte so viele Hypothesen aufstellen, dass selbst mit viel Zeit kaum die Möglichkeit bestünde, alle möglichen Hypothesen zu erwägen.

Wie ein Sklave, in Ketten gelegt, auf abscheuliche Weise gezwungen, Arbeiten wie das Hüten von Schweinen zu verrichten. Wenn es einen Papst gab, der Schweinehirte war, warum sollte es dann nicht auch der König von Portugal sein? Schlimmer noch, ein Wächter von Odalisken in einem schmutzigen Harem, wo alle Unreinheit zur Schau gestellt wurde, verführt von bösen Frauen und bewundernswert widerstanden? Wer kann wissen, was mit diesem Mann geschah?

Dieser Mann, der bis zu seinem Tod anscheinend keinen Kontakt zu einem Priester hatte und daher kein Sakrament empfangen konnte, und der sich in der gleichen qualvollen Lage befand wie jene, die in maurische Gefangenschaft gerieten. Überall lauerten Versuchungen; wenn er sündigte, würde ihm Vergebung nur aus reiner Liebe zu Gott gewährt werden, denn aus Furcht vor der Hölle wird ohne das Sakrament niemandem vergeben.

Und deshalb kann man sich das Risiko für sein Seelenheil vorstellen, man kann sich das Scheitern dieses Mannes vorstellen, seine Trauer. Und die unerklärlichen Gründe, warum Gott bis jetzt nicht wollte, das man bist jetzt nicht weiß, was geschah.

Wollte Gott es wirklich? Die größten Hoffnungen des portugiesischen Volkes, die tiefsten Regungen der Gnade, die in den Herzen der besten Portugiesen pulsierten, ließen hoffen, dass König Sebastian zurückkehren würde. Und so verbreitete sich die Legende, dass der König eines Morgens über das Meer reiten, den Nebel durchqueren und auf dem sich auflösenden Wasser thronen würde. Kühn und edel, stolz, als hätte er keine Niederlage erlitten, würde er nach Portugal zurückkehren, um dem Land seinen verlorenen Ruhm zurückzugeben.

Und selbst heute noch, für uns, die wir die Last der Erinnerung an diese tragische historische Tatsache tragen, birgt die Vorstellung, dass der König an einem strahlenden Morgen inmitten des Nebels erscheint, um Portugal zu Größe zu verhelfen, eine Freude, die, sozusagen, prophetisch anmutet.

Wird König Sebastian zurückkehren? Mehr noch. Wer weiß, was die Muttergottes mit den Hirtenkindern in der Cova da Iria besprach.

Lasst uns das Unvorstellbare erträumen, etwas, das ich noch nie jemanden erträumen sah. Stellen wir uns das einmal vor, denn das gemeinsame Nachdenken über Dinge Gottes, aus Liebe zu Gott, beruhigt den Geist, und ich bin sicher, dass Sie dies ebenfalls wünschen.

Stellen wir uns Folgendes vor: König Sebastian wurde von muslimischen Prinzessinnen verführt, widerstand ihnen und bekehrte dabei eine von ihnen – das ist möglich. Und nachdem er diese Prinzessin, die eine fromme Katholikin geworden wäre, bekehrt hatte, hätte er sie rechtmäßig geheiratet. Ich glaube, dies dient der Überprüfung des Kirchenrechts, aber ich halte es für möglich. Denn zwei Katholiken können an einem Ort, an dem es kein Sakrament gibt, heiraten; sie sind selbst die Spender des Sakraments, ein Katholik, eine Katholikin – könnten sie nicht heiraten? Vielleicht. Wenn es möglich ist, stellen wir es uns vor.

Stellen wir uns vor, daraus entstünde eine verborgene Linie katholischer Fürsten. Stellen wir uns vor, dass sich eines Tages ein Mann aus dem maurischen Geschlecht offenbart und sagt: „Ich beweise, dass ich von König Sebastian abstamme.“ Und es ist der wiedererweckte König Sebastian, der zurückkehrt, um Portugal erneut zu beleben. Welch ein Wunder, welch ein Zauber, welch ein Ruhm! Wie sehr hätte sich dies bestätigt!

Sie werden sagen: „Aber Dr. Plinio, das ist doch eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht.“ Ich sage: Ja, genau! Es ist und wird etwas Ähnliches wie etwas sein, das sich tatsächlich ereignet hat. In der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Neuzeit, inmitten der Wirren, Kriege und des Trubels in Europa und der Seefahrten, gelangte ein französischer Ritter von sehr edler Abstammung – wenn auch nicht sehr reich – nach Indien. Dort heiratete er die Tochter eines Rajas, bekehrte sie zum Christentum, heiratete sie und zeugte Kinder. Er bestieg den Thron des Maharadschas und gründete eine Dynastie katholischer Rajas, die über ein nichtkatholisches Volk herrschten. Und so blieb es.

Der einzige Unterschied ist, dass während er friedlich oder unruhig sein kleines Königreich im sagenumwobenen Indien regierte, sein Haus in Frankreich rasant aufstieg. Sein Haus hieß Bourbon. Und er wurde, ohne es zu wissen, ein Prinz des französischen Königshauses. Erst viel später, im Kontakt mit französischen Kaufleuten, erfuhr er all dies. Alles wurde aufgeklärt, und zwar so sehr, dass sogar einige französische Traditionalisten die Kandidatur dieser Rajas für den französischen Thron ins Gespräch brachten. Er war klug genug, sich nicht dafür zu interessieren, und so blieb es beiseite.

Wenn dies einem Bourbonen widerfahren konnte, warum sollte es nicht einem der letzten Könige aus dem Hause Avis passieren?

Ich habe mir viel weniger ausgemalt, als es scheint. Und die Geschichte malt sich manchmal viel mehr aus, als der Mensch sich ausmalen kann.

Hier ist eine Hypothese aufgestellt, nicht als etwas, das wir für möglich halten, sondern als Beitrag zur Welt der Fantasie, damit wir die Würde des Scheiterns verstehen. D. Sebastião hätte in der Tiefe seines Scheiterns den Keim des portugiesischen Ruhms in sich bewahrt.

Und zur Freude aller portugiesischsprachigen Länder der Welt würde er eines Tages wieder erscheinen, um mit jenem Glanz zu erstrahlen, den nur er besaß.

So erkennt man die wahre Pracht des Scheiterns, sei es das Scheitern eines Unschuldigen oder das eines Reumütigen. Wenn es nicht aus Faulheit, Nachlässigkeit oder Schwäche entspringt, sondern aus der Schwere der Umstände, die den Menschen erdrücken, dann strahlt selbst die zerbrochene Größe Licht aus, das ihr selbst im Triumph verborgen bleibt.



Aus dem portugiesischen von „Sobre a Inocência e o Malôgro“, „Tagesheiliger“ ohne Datum

Die deutsche Fassung dieses Artikels „Über die Unschuld un das Scheitern“ ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

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